Hochzeitsturm
Architekt: Joseph Maria Olbrich
Bauphase: 1905 - 1908
Der Hochzeitsturm wurde für die dritte Ausstellung auf der Mathildenhöhe, die „Hessische Landesausstellung für freie und angewandte Kunst“ von Joseph Maria Olbrich geplant und 1908 fertiggestellt. Namensgebend war die zweite Hochzeit des Großherzogs Ernst Ludwig mit Eleonore zu Solms-Hohensolms-Lich, zu deren Ehren dieses Wahrzeichen der Stadt errichtet wurde.
Der Turm besteht aus einer breiten, verputzten Sockelzone mit dem Eingangsportal, einem mit dunklen Klinkern gemauerten, hoch aufragenden Turmkörper mit exzentrisch um die Ecke geführten Fensterbändern und einer fünfzinnigen, aus dunkel glasierten Ziegeln gemauerten Krone.
In dem fast 50 Meter hohen Turm führen 209 Stufen zu einer Aussichtsebene. Darunter befinden sich unter anderem die beiden Fürstenzimmer, die heute auch als Ort für Hochzeiten genutzt werden.
Das Zimmer des Großherzogs auf der vierten Ebene wurde mit einem Wandgemälde des Malers Fritz Hegenbart ausgestattet, das den künstlerischen Aufbruch in eine neue Zeit darstellt. Das Zimmer der Großherzogin auf der fünften Ebene enthält einen Bilderzyklus des Malers Philipp Otto Schäfer, der die Regierungsbezirke des südlichen Hessens und das Hochzeitspaar thematisiert.
Mit seiner eigenwilligen, schlichten Form, der materialbetonten Außenhaut und den über Eck geführten Fensterbändern verweist die Architektur des Darmstädter Hochzeitsturms bereits auf die Zeit des Expressionismus.
Der Hochzeitsturm ist in seiner Gesamtheit original erhalten; in der Bombennacht 1944 wurde lediglich das Dach der fünf Zinnen zerstört und später erneuert.
Zur Erinnerung an die zweite Hochzeit des Großherzogs Ernst Ludwig mit Eleonore von Solms-Hohensolms-Lich am 2. Februar 1905 entwarf das Künstlerkoloniemitglied Heinrich Jobst das Sandsteinrelief über dem Portal des Hochzeitsturms.
Von einem Fruchtornament gerahmt sind im unteren Teil die Wappen der beiden Häuser des Brautpaares einander gegenübergestellt. Sie werden von erklärenden Inschriften begleitet:
ZUM GEDÄCHTNIS DER VERMÄHLUNG J.J.K.K.H.H. DES GROSZHERZOGS ERNST LUDWIG UND DER GROSZHERZOGIN ELEONORE ERRICHTET VON DER STADT DARMSTADT ANNO 1907-1908.
Im Hintergrund breitet ein Lorbeerbaum seine Äste aus. Im oberen Feld werden auf kleinen verzierten Sockeln vier Tugenden einer guten Herrschaft mit ihren Attributen präsentiert:
STÄRKE UND WEISHEIT mit Löwe und Eule, GERECHTIGKEIT UND MILDE mit Waage und einem kauernden Menschen zu Füßen (als Zeichen für gerechte, aber milde Urteile). Mittig liest man das Jahr der Hochzeit: ANNO 1905.
Für die Künstlerkolonie-Ausstellung 1914 entwarf Friedrich Wilhelm Kleukens zwei fein gearbeitete Wandmosaike, die sich thematisch auf die Hochzeit des Großherzogs Ernst Ludwig mit Eleonore von Solms-Hohensolms-Lich beziehen.
Auf der Nordseite wird mit dem Mosaikbild „Der Kuss“ oder „Die Treue“ ein nacktes, junges Paar gezeigt, das liegend, einander zugewandt, in innigem Kuss miteinander verbunden ist. Die idealen Körper werden durch ihre großen, nach oben geklappten Flügel überhöht, die von einem Sternenrund hinterfangen werden. Auf stilisierten, goldenen Rosen gebettet, verkörpert das jugendliche Paar in symmetrischer Anordnung eine absolute Harmonie.
Auf der gegenüberliegenden Wand ist mit dem Mosaikbild „Fortuna“ die Figur der Glücksgöttin in leicht fließendem Gewand zu sehen. Ihren beiden Füllhörnern entfliegen weiße Tauben, die als Zeichen der Liebe rote Rosen in die Welt tragen.
Diese beiden sich gegenüber liegenden Wandmosaike werden ergänzt durch ein Tonnengewölbe mit vergoldeter Oberfläche, auf die schwarze Sterne aufgetragen wurden.
Für die Nordseite des Turms unterhalb der Fensterreihe auf Höhe der Aussichtsebene entwarf Albin Müller 1914 als Flachrelief eine große, vergoldete Uhr. Die schwarzen Zeiger und Ziffern heben sich deutlich von der golden leuchtenden Fläche ab. Das nahezu quadratische Feld wird von zwei aufrecht stehenden, goldenen Fackeln flankiert. Den unteren Zwischenraum schmücken Kreuz, flammendes Herz und Anker – die Symbole für Glaube, Liebe und Hoffnung.
Auf der schmalen Südseite in mittlerer Höhe glitzert bei schönem Wetter das Mosaik einer Sonnenuhr, 1914 von Friedrich Wilhelm Kleukens entworfen. Die gelben Strahlen auf weißem Grund bilden den Hintergrund für den Uhrzeiger, der bei Sonnenschein seinen Schatten auf die Ziffern des nahezu quadratischen Feldes wirft. In Medaillons gesetzt bilden zwölf Tierkreiszeichen einen Rahmen mit stilisiertem dunkelblauem Sternenhimmel. Die Sonne für den Tag und die Sterne für die Nacht nehmen Bezug auf das darunter befindliche Gedicht von Rudolf Binding (1867-1938), wobei anstelle der mittleren Strophe ein rechteckiges Fenster gesetzt ist:
Der Tag geht über mein Gesicht
Die Nacht sie tastet leis vorbei
und Tag und Nacht ein Gleichgewicht'
und Tag und Nacht ein Einerlei.
Es schreibt die dunkle Schrift der Tag,
und dunkler noch schreibt sie die Nacht
Und keiner lebt, der deuten mag,
was beider Schatten ihm gebracht.
Und ewig kreist die Schattenschrift,
leblang stehst du im dunklen Spiel,
bis dich des Spieles Deutung trifft.
Die Zeit ist um, du bist am Ziel.